Amtliche Leitsätze:
- Wird die Schulpflicht nachhaltig verletzt, ohne dass die Eltern hierzu gewillt oder in der Lage sind, dem wirksam zu begegnen, liegt ein Fall der Gefährdung des Kindeswohls nach § 1666 Abs. 1 BGB vor.
- Das Familiengericht wird von Amts wegen tätig, wenn ihm durch Dritte ein hinreichend verdichteter Verdacht hinsichtlich einer Kindeswohlgefahr (hier: Verletzung der Schulpflicht) angezeigt wird.
- Familiengerichte und Jugendämter tragen nach dem gesetzgeberischen Auftrag aus § 1666 Abs. 3 Nr. 2 BGB, §§ 151 ff. FamFG und § 50 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. SGB VIII im Wege des familiengerichtlichen Verfahrens Sorge dafür, dass im Sinne des Kindeswohls der Schulbesuch durch schulpflichtige Kinder sichergestellt wird.
- Zur Wahl der nach § 1666 BGB erforderlichen familiengerichtlichen Maßnahmen bei Schulabsentismus ist insbesondere das Ausmaß der Schulverweigerung oder der fehlenden schulischen Partizipation des Kindes festzustellen, die Ursachen sind herauszuarbeiten und das Vorhandensein noch erzieherischer Möglichkeiten durch die Eltern selbst ist abzuschätzen.
- Als familiengerichtliche Maßnahme kommt unter notwendigen Umständen auch der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und des Rechts zur Regelung von schulischen Angelegenheiten in Betracht. Ein Ergänzungspfleger kann ermächtigt werden, die Herausgabe des Kindes zu Schulbesuchen zu erzwingen, dies nötigenfalls unter Zuhilfenahme eines Gerichtsvollziehers bzw. der Polizei.
AG Bad Hersfeld, Beschluss vom 1.12.2017 – 63 F 621/17 SO