Amtliche Leitsätze:
1. Bevor eine ärztliche Untersuchung zur Altersfeststellung nach § 42f SGB VIII durchgeführt wird, hat das Jugendamt den Betroffenen umfassend über die Untersuchungsmethode, die Folgen der Altersbestimmung sowie die Folgen der Weigerung, sich der ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, aufzuklären. Insoweit trägt das Jugendamt die Darlegungs- und Beweislast.
2. Fehlt es an einer umfassenden Aufklärung über die Untersuchungsmethode oder die Folgen der Altersbestimmung folgt hieraus regelmäßig ein Einwilligungsmangel des Betroffenen.
3. Solange für einen unbegleiteten Minderjährigen kein (Amts-) Vormund bestellt worden ist, kann das Jugendamt in Ausübung des ihm zustehenden Notvertretungsrechts (vgl. § 42a Abs. 3 SGB VIII) als Vertreter des Minderjährigen grundsätzlich in eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung einwilligen. Eine solche Einwilligung ist jedoch nur dann wirksam, wenn innerhalb des Jugendamtes eine organisatorische und personelle Trennung besteht, um eine Interessenkollision zu verhindern.
4. Holt das Jugendamt ein ärztliches Gutachten ein, ohne dass eine wirksame Einwilligung des Betroffenen und seines Vertreters vorliegt, ist das Gutachten im behördlichen Verfahren zur Altersfeststellung nicht verwertbar.
5. Klärt das Jugendamt entgegen § 42f Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 SGB VIII den Betroffenen nicht schriftlich über die Folgen einer Weigerung, sich der ärztlichen Untersuchung zu unterziehen auf, kann es eine Inobhutnahme nicht allein wegen fehlender Mitwirkung nach § 42f Abs. 2 Satz 4 SGB VIII i. v. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I verweigern.
OVG Bremen (1. Senat), Beschluss vom 4.6.2018 – 1 B 53/18