Amtliche Leitsätze:
1. Das minderjährige Kind, vertreten durch den obhutgewährenden Elternteil, ist berechtigt, eine Abänderung der in der notariell beurkundeten Scheidungsfolgenvereinbarung seiner Eltern enthaltenen Regelung zum Kindesunterhalt zu verlangen, wenn ihm in der Urkunde ein eigenes Forderungsrecht eingeräumt wurde. Die Einräumung eines eigenen Forderungsrechts kann angenommen werden, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil sich ausdrücklich auch gegenüber dem Kind der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein Vermögen unterworfen hat und vereinbart wurde, dass dem Kind jederzeit eine eigene vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde erteilt werden kann.
2. Der Antrag, einen Unterhaltstitel abzuändern, ist zulässig, wenn der Antragsteller Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Änderung der dem abzuändernden Titel zugrundeliegenden Verhältnisse ergibt. Der Vortrag einzelner Umstände, die zu einer Änderung der maßgeblichen Verhältnisse geführt haben sollen, reicht dafür noch nicht aus, sondern vom Antragsteller ist auch die „Ergebnisrelevanz“ der Umstände aufzuzeigen. Dafür ist es jedoch nicht erforderlich, dass bereits in der „Zulässigkeitsprüfung“ eine vollständige Unterhaltsberechnung mit dem neuen Zahlenwerk vorgelegt wird, da dies zu einer Verlagerung der „Begründetheitsprüfung“ in die Zulässigkeitsstufe führen würde, was abzulehnen ist.
3. Im Rahmen der „Begründetheit“ hat der Antragsteller die neuen, veränderten Parameter in das durch den Unterhaltstitel vorgegebene „Raster“ einzustellen und im Sinne einer Differenzbetrachtung aufzuzeigen, dass bzw. inwieweit eine Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist und dass es ihm deshalb unzumutbar ist, an dem unveränderten Titel festgehalten zu werden. Dieser Vortrag setzt zwingend eine ziffernmäßig unterlegte Differenzbetrachtung voraus, weil es für § 313 BGB nicht ausreicht, dass sich lediglich einzelne Parameter geändert haben, wenn daraus nicht auch eine Änderung „per Saldo“ resultiert.
4. Bei diesen Grundsätzen bleibt es auch dann, wenn der Antragsteller von einer in der Urkunde vereinbarten Unterhaltsbemessung anhand der „Düsseldorfer Tabelle“ auf eine Unterhaltsbemessung nach dem konkreten Bedarf übergehen will; auch dann ist von ihm darzulegen, dass eine wesentliche Veränderung in den der Unterhaltsberechnung ursprünglich zugrunde gelegten Verhältnissen eingetreten ist.
5. Die Erklärung des Antragsgegners, unbegrenzt leistungsfähig zu sein, führt nicht dazu, dass die Darlegung, inwieweit sich die aktuellen Verhältnisse gegenüber den Verhältnissen bei Errichtung der Unterhaltsurkunde verändert haben, entbehrlich wäre. Auch führt eine solche Erklärung nicht dazu, dass der Unterhaltsbedarf des Kindes ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens oder des Vermögens des unterhaltspflichtigen Elternteils ermittelt werden könnte.
6. Dem Antragsteller ist es verwehrt, einen nicht im Stufenverhältnis stehenden, bezifferten Abänderungsantrag anzubringen und das Gericht aufzufordern, bei der Gegenseite auf der Grundlage von § 235 FamFG die für die Begründetheit des Abänderungsantrags erforderlichen Auskünfte einzuholen, weil mit der Schaffung von § 235 FamFG keine Abkehr von den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast in Unterhaltssachen verbunden ist.
7. Der Unterhaltsanspruch des Kindes umfasst ausschließlich dessen eigenen Bedarf und nicht – wie beispielsweise im schweizerischen Recht nach Art. 285 Abs. 2 ZGB – den Lebensbedarf der primären Betreuungsperson des Kindes.
8. Für das Unterhaltsrecht gilt das Prinzip der Zeitidentität: Da die Bedürftigkeit des Berechtigten und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten jeweils zeitgleich in dem Zeitraum vorhanden sein müssen, für den Unterhalt verlangt wird, ist es dem Unterhaltsberechtigten verwehrt, den von ihm behaupteten konkreten Unterhaltsbedarf anhand von Belegen darzustellen, die aus anderen Zeitabschnitten herrühren, für die Unterhalt begehrt wird.
9. Da die Unterhaltsgewährung für ein minderjähriges Kind (lediglich) die Befriedigung seines – ggf. auch gehobenen – Lebensbedarfs bedeutet, aber nicht Teilhabe am Luxus und weil der Grundbedarf eines Kindes u.a. für Nahrung, Kleidung, Wohn- und Schulbedarf etc. regelmäßig bereits durch die Ansätze der „Düsseldorfer Tabelle“ abgedeckt wird, sind vom Kind, das Kindesunterhalt auf der Grundlage einer konkreten Bedarfsberechnung begehrt, etwaige besonders kostenintensive Bedürfnisse aufzuzeigen und von ihm ist darzulegen, welche Mittel zu deren Deckung notwendig sind.
KG (13. Zivilsenat), Beschluss vom 26.6.2019 – 13 UF 89/17