Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft für Staatsangehörigkeit

Amtliche Leitsätze:

1. Staatenlos i.S.d. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG wird der Betroffene auch dann, wenn eine faktische Staatenlosigkeit vorliegt, weil der Staat der rechtlichen Staatsangehörigkeit den sich grundsätzlich aus der Staatsangehörigkeit ergebenden Schutzverpflichtungen nicht nachkommt, sei es, weil er dazu nicht in der Lage, oder weil er dazu nicht willens ist.

2. Besteht besonderer Anlass zur Prüfung, ob keine faktische Staatenlosigkeit eintritt, weil sich bereits aus dem Staatsangehörigkeitsrecht des fremden Staates diesbezügliche Zweifel ergeben, und lässt sich im Eilverfahren nicht klären, ob zumindest einer der in Betracht kommenden Staaten den Betroffenen auch faktisch als Staatsangehörigen behandelt, so ist der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache offen und es kommt für die Begründetheit eines Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 5 VwGO auf eine reine Abwägung der widerstreitenden Interessen an.

3. Die Regelung der § 1599 BGB, §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 17 Abs. 3 Satz 1 Var. 3, 17 Abs. 2 StAG, die zur Folge hat, dass die durch Abstammung erworbene deutsche Staatsangehörigkeit bei Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft rückwirkend entfällt, genügt dem Gesetzesvorbehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG.

4. Einer ausdrücklichen einfachgesetzlichen Regelung, wonach die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft für die Staatsangehörigkeit unbeachtlich ist, wenn das Kind anderenfalls staatenlos wird, bedarf es nicht.

OVG Lüneburg (8. Senat), Beschluss vom 12.9.2019 – 8 ME 66/19