Entziehung der elterlichen Sorge wegen Kindeswohlgefährdung – Anforderungen an ein Sachverständigengutachten

Orientierungssätze:

1. Die von einem familiengerichtlich bestellten Sachverständigen bei einem einzelnen Besuch im elterlichen Haushalt angestellten Beobachtungen (beruhend auf Momentaufnahmen, denen keine Exploration oder Interaktionsbeobachtung zugrunde liegt) sind in der Regel nicht geeignet, die ihm ohnehin nicht zustehende rechtliche Würdigung zu rechtfertigen, das Kind sei nach jahrelangem Zuwarten wegen einer vermuteten Erziehungsunfähigkeit seiner Mutter nunmehr unverzüglich aus der Familie herauszunehmen.

2. Der mit dem Eingriff in die elterliche Sorge für ein Kind verbundene Grundrechtseingriff muss in einem angemessenen Verhältnis zu dem ohne den Eingriff zu erwartenden Schadenseintritt stehen (BVerfG, FamRZ 2015, 208; BGH, FamRZ 2016, 1752).

3. Ist Ziel des staatlichen Eingriffs zunächst nur die Zuführung des Kindes zur weiteren Begutachtung durch einen Sachverständigen gegen den Willen des sorgeberechtigten Elternteils, ist der Entzug der elterlichen Sorge mit dem Teilbereich der Entscheidung über die Begutachtung des Kindes sowie über Zuführung und Durchführung zur Begutachtung erforderlich, aber auch ausreichend (vgl. Heilmann, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, § 163 FamFG Rz. 43.) Darüber hinausgehende Eingriffe in die elterliche Sorge verbieten sich als unverhältnismäßig (Anschluss an BGH, FamRZ 2019, 598).

OLG Frankfurt a. M. (4. Senat für Familiensachen), Beschluss vom 28.8.2019 – 4 UF 189/19